Eine Tasche für Susanne Perlowski
gepackt von Petra Faißt
Es gibt Briefe, die können nur Kinder schreiben:
„Liebes Ömchen!
Ich habe keine Zeit Dir zu schreiben, weil ich in die Heia muss. Jetzt ist nämlich schon 10 Min. u. 10 Sek. nach 9 Uhr. Also schreibe ich Dir nicht.
Dein Pepchenleinchen
schmatz“
Dieses handgeschriebene Nichtbrieflein der kleinen Petra Faißt hat die große Petra Faißt einer braunen Ledertasche beigefügt, die ganz kühn auf dem goldenen Verschluss die Aufschrift „La Toscana“ trägt. Ob die Oma wirklich jemals in der Toscana war? Vielleicht war der Landstrich in Italien ja ein Sehnsuchtsort. Die Oma jedenfalls kurte des Öfteren zum Beispiel im Alpenhof, davon zeugen Postkarten an ihren Mann und den behinderten Sohn Klaus. Sie verbrachte auch einen Urlaub in Bad Wörishofen. Von dort schrieb sie eine Postkarte an Petra, worin sie sinngemäß feststellt, dass der Ort ganz schön sein soll, sie könnten ihn nur nicht besichtigen, weil es dauernd regnet.
Korrespondenz scheint ein Thema zwischen Petra Faißt und ihrer Oma Susanne Perlowski gewesen zu sein. Auch nach dem Tod der Großmutter schreibt sie ihr einen Brief. „Seit Deinem Tod hat sich etwas gewandelt in meinem Bewußtsein: Du bist jetzt in allen Altersstufen gleichzeitig präsent, Du bist ein Ganzes geworden. Du bist mir näher als je zuvor.“
Wie nah zeigt sich in einer Art Heft im Brief mit Schnipseln, die alle mit „Du bis t…“ beginnen und Szenen oder Geschichten aus Susannes Leben erzählen:
dass sie in ihrer Jugend beim Hefeklöße-Wettessen mit 30 verspeisten Klößen gewonnen hat …
dass sie mit einer zweijährigen Tochter an der Hand sich weigerte, auf die Wilhelm Gustloff zu gehen, und lieber auf ihren Mann und dessen Schwester wartete …
dass der behinderte Sohn Klaus bis zu seinem Tod bei ihr lebte …
„Nanüle? Es ist ja schon 9,15 Uhr.“ Damit endet der oben schon zitierte Nichtbrief.
KS
