eine Tasche für Elisabeth Ribbert
gepackt von Birgit Heidtke
Gibt es einen besseren Ort, seine Bankkarten-PIN zu versteckten als in einem Patience-Kartenspiel? Hatte Packerin Birgit Heidtke den Einfall oder vielleicht sogar ihre Großmutter schon selbst? Die Frage lässt sich nicht wirklich beantworten, denn Birgit enthält uns die genauen Lebensdaten ihrer Oma Elly vor.
Nur so viel verrät sie: dass sie im Jahr 1919 mit voller Leidenschaft an der Volksschule in Ickern bei Castrop-Rauxel unterrichtete. Sie war damals eine der jüngsten Frauen, die wählen gehen durfte. Ob Oma Elly ihr Recht wirklich in Anspruch genommen hat, weiß Birgit Heidtke nicht sicher, vermutet es aber.
Sie hat sich für Elisabeth Ribbert eine schicke schwarze Ledertasche mit schön verschnörkeltem Metallverschluss ausgesucht. Das Inventar ist zum Teil anspruchsvoll und nur über Bande Stationen in der Vita zuzuordnen. So könnten die vier Walnüsse positive Assoziationen zu den bekannten Nüssen für Aschenbrödel hervorrufen, doch weit gefehlt. Sie stehen wohl für „die hartherzigen Ordensschwestern, die den Kindern im Diakonissenhaus in der Zeit des bittersten Hungers auch das Fallobst nicht gönnten.“ Elly lebte als Vollwaise während des 1. Weltkriegs in den Kaiserwerther Diakonissenanstalten.
Bleistift mit Spitzer verkörpern wahrscheinlich Handwerkszeug der leidenschaftlichen Lehrerin. Ihren Beruf musste sie übrigens aufgeben, als sie den Lehrer Otto Ribbert ehelichte. Die vielen Inflationsgeldscheine, die Birgit Heidtke gesammelt hat, deuten auf einen Verehrer der Oma hin damals, als sie längst verlobt war. Und dieser Herr verdiente während der Inflation viel Geld mit Dollars.
Doch irgendein Utensil fehlt möglicherweise. Irgendetwas mit Bezug zur Musik. Elly konnte singen wie eine „Nachtigall“ und hing Zeit ihres Lebens dem verlorenen Traum nach, dass sie gern Opernsängerin geworden wäre. Aber vielleicht ist der Hinweis genauso gut versteckt wie die PIN im Patience-Spiel und wurde nur noch nicht gefunden?
KS
PS. Elisabeth Ribbert gehört zu den erstaunlich vielen Frauen in diesem Taschenprojekt, die singen konnten, und oft von einer Karriere als Sängerin träumten. Wo bleiben eigentlich die verlorenen gegangenen Schriftstellerinnen, die Malerinnen, die Tänzerinnen, Schauspielerinnen?