Mathilde Otto ist die erste Stadträtin in der Geschichte Freiburgs. Hier im Ecksaal, im ersten Stock des Rathauses, traf sie sich zu Beratungen mit den Kollegen. Vier Jahre lang – von 1922 bis 1926 – machte Otto Stadtpolitik im Oberhaus des Stadtparlaments. Dort war sie als eine Frau unter 17 Männern.
Im November 1918 hatte die Revolution das gleiche Wahlrecht für Männer und Frauen in Deutschland gebracht. Im ersten Wahlkampf der jungen Republik trat Mathilde Otto für die katholische Zentrumspartei an. Sie kandidierte für den badischen Landtag in Karlsruhe und auch als Stadtverordnete für den Freiburger Bürgerausschuss. Beides Mal hatte sie Erfolg.
Im Januar 1919 gehörte sie zu den ersten Frauen in der Badischen Nationalversammlung. Im Sommer zog sie mit 13 anderen weiblichen Stadtverordneten in den Freiburger Bürgerausschuss ein. Der Bürgerausschuss war in Baden das große Parlament in der Kommune. Dort bestimmten die Stadtverordneten dann, wer von ihnen in den Stadtrat aufstieg.
Mathilde Otto engagierte sich in der Sozialpolitik. In ihrer Amtszeit als Stadträtin ging es um die Reform der Freiwilligen Sozialhilfe in der Stadt. Immer wieder vertrat Otto dabei Vorschläge ihrer Kolleginnen aus dem Bürgerausschuss. Schon vor 100 Jahren war es Politikerinnen wichtig, dass sich die Sprache änderte. Mathilde Otto sorgte dafür, dass in der neuen Sozialordnung Freiburgs alle Ämter in männlicher und weiblicher Form genannt wurden: auch auf dem Papier standen nun Armenräte und Armenrätinnen.
Mathilde Otto kam aus der Ortenau. Als Tochter eines Zigarrenfabrikanten wuchs sie in reichen Verhältnissen auf. Sie konnte sehr gute Schulen besuchen, aber – typisch für ihre Generation – nicht das Abitur machen. Nach Freiburg zog sie, weil sie sich für die Mitarbeit in der Zentrale des Deutschen Caritasverbandes entschied. Sie modernisierte die freiwillige Familienhilfe von Frauen in den katholischen Gemeinden. Sie machte professionelle Arbeit, aber unbezahlt. Auch das ist typisch für Frauen in der Sozialen Arbeit zu dieser Zeit.
Mathilde Ottos politische und soziale Arbeit war bestimmt von ihrem tiefen christlichen Glauben. Mit anderen Frauen gründete sie 1925 die Schwesternschaft St. Elisabeth. Dafür kaufte sie ein Haus an der Dreisamstraße und gründete kurz darauf auch ein Erholungshaus für Frauen nach der Entbindung. Daraus entwickelte sich die Geburtsklinik der Schwesternschaft St. Elisabeth.
Mit ihrem Engagement für die Schwesternschaft und sicher auch wegen einer schweren Erkrankung zog sich Mathilde Otto Ende der 1920er Jahre zurück aus der Politik. Mit 57 Jahren starb sie 1933 in Freiburg. Mathilde Otto blieb in der Weimarer Republik die einzige Frau im Freiburger Stadtrat. 1933, mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden Frauen aus der Politik vertrieben.