8. Mai 2020: 75 Jahre Tag der Befreiung
Am 8. Mai 2020 jährte sich zum 75. Mal der Tag der Befreiung von der Nazi-Herrschaft. Deshalb fand eine Kundgebung am Mahnmal für die Opfer des Naziregimes statt, an der auch die Feministische Geschichtswerkstatt und das Feministische Zentrum aktiv teilnahmen. An einer Wäscheleine trugen wir erhellende und mutmachende Zitate zur Mahnwache und waren mit einem großen Transparent und diesem Redebeitrag zum fehlenden Gedenken an lesbische Gefangene im KZ Ravensbrück dabei:
unser Transparent vor Ort, Foto: Anja
Redebeitrag der Feministischen Geschichtswerkstatt
Das Verhindern des Gedenkens an lesbische Verfolgte und Ermordete des Nationalsozialismus hat Geschichte. In den 80er Jahren scheiterten zahlreichen Versuche der Ostberliner Gruppe ‚Lesben in der Kirche‘, an den Gedenkveranstaltungen im ehemaligen Frauenkonzentrationslager Ravensbrück teilzunehmen. Die Lesbengruppe widmete sich u.a. in den 1980er Jahren dem Anliegen, das Schicksal von im NS verfolgten lesbischen Frauen sichtbar zu machen und ihnen öffentlich zu gedenken. Dabei wurden die Frauen teilweise bereits bei ihrer Anreise am Bahnhof Fürstenberg durch Polizist*nnen abgefangen und stundenlang verhört. Später wurden niedergelegte Kränze vernichtet und Einträge in das Gedenkbuch entfernt. Bis heute gibt es in Ravensbrück keine würdige Form des Gedenkens an die lesbischen Opfer. Im Oktober 2018 scheiterte wieder einmal der Vorschlag, eine Gedenkkugel für die ermordeten lesbischen Frauen zu installieren.
Historikerinnen betonen, dass homosexuelle Frauen – anders als homosexuelle Männer – von den Nazis zwar nicht aufgrund des Strafgesetzbuch-Paragrafen 175 verfolgt wurden. Aber ihr Lesbisch-Sein war ein Faktor, der dazu beitragen konnte, im Konzentrationslager zu landen. Dort trugen Lesben nicht den Rosa-Winkel, sondern wurden u. a. mit einem schwarzen Winkel als „Asoziale“ gekennzeichnet. Diese Unsichtbarkeit führt bis heute zu einer Marginalisierung dieser Gefangenengruppe in der Erinnerungskultur. Darum fordern viele Initiativen und Wissenschaftlerinnen die Ausdehnung des Verfolgungsbegriffs auf unterschiedliche Formen der Diskriminierung, Einschüchterung oder Überwachung. Geschlechterkonstruktionen müssen dabei einbezogen werden.
Im April 2015, zum 70 Jahrestag der Befreiung des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück sowie des Jugendkonzentrationslager für Mädchen und junge Frauen* Uckermark, legte die Initiative „Autonome Feministische FrauenLesben aus Deutschland und Österreich“ eine Gedenkkugel als sichtbares Zeichen an die Verfolgung und Ermordung lesbischer Frauen und Mädchen am neuen Gedenkort im KZ Ravensbrück nieder. Diese Kugel wurde aufgrund fehlender Genehmigung kurz darauf von der Leitung der Mahn- und Gedenkstätte entfernt, zahlreiche Anträge im Beirat der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten auf Genehmigung scheiterten – auch aufgrund der vehementen Proteste des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg.
Die Argumente laufen immer wieder darauf hinaus, dass es keine eigentliche Verfolgung von Lesben im NS gegeben hätte. Dabei wissen wir längst, dass die Verfolgung von Lesben vor allem darüber funktionierte, dass Homosexualität zwischen Frauen nicht existieren durfte. Lesben waren zur Unsichtbarkeit und Selbstverleugnung verdammt. Das setzt sich in der Erinnerungskultur bis heute fort.
Die Inschrift für die immer noch nicht sichtbare Kugel lautete: In Gedenken aller lesbischen Frauen und Mädchen im Frauen-KZ Ravensbrück und Uckermark. Lesbische Frauen galten als „entartet“ und wurden als „asozial“, als widerständisch und verrückt und aus anderen Gründen verfolgt und ermordet. Ihr seid nicht vergessen!
Zur Zeit wird neu verhandelt …
Wir hoffen, dass die Gedenkkugel bald ihren Platz einnehmen darf – für ein würdiges Gedenken an die lesbischen, verfolgten und ermordeten Frauen in den Konzentrationslagern.