• Feministische Geschichtswerkstatt Freiburg e.V.

Wahlheimaten AZ-Nr. 20541

Von Hampelpuppen, Verlieren, Egoisten - und trotzdem ein erfülltes Leben

Eine Tasche für Maria Heinrich

gepackt von Renate Lepach

Eine Tasche für Maria Heinrich

Als Hampelmann bezeichneten die Menschen im 16. Jahrhundert einen Einfaltspinsel, eine dümmliche Person. Erst ein Jahrhundert später bekam der Ausdruck ein neue Bedeutung für „eine Puppe, deren Glieder beweglich sind“. Besonders beweglich sind die Puppen, wenn sie auch Stoff gefertigt werden. Maria Heinrich begann in fortgeschrittenem Alter, Hampelpuppen zu stricken.

Damit machte sie nicht nur Kinder in Kinderdörfern und Waisenhäusern glücklich, sie fand für sich selbst auch einen Lebenssinn. Eine Ausbildung zur Krankenschwester musste sie abbrechen, weil ihr Vater sie als Hausfrau brauchte (die Mutter war gestorben) und um die jüngeren Geschwister zu versorgen. Ihren späteren Mann, einen Buchdruckermeister aus Schlesien, ließ der Vater übrigens von einer Detektei überprüfen.

Der Buchdrucker aus der Ferne war ein Fremdkörper in der badischen Kleinstadt, worunter auch Maria Heinrich zu leiden hatte. Erst als er nach Hitlers Machtergreifung in die NSDAP eintrat, fand er endlich einmal Anerkennung und Bestätigung. Zitat: „Nach dem Krieg war er wieder unter den Verlierern und sie natürlich mit.“

Von seinem weiteren Lebensweg schreibt die Autorin nicht, klar, es geht hier ja um die Frauen. Maria Heinrich kümmerte sich aufopfernd um ihre Kinder, wobei diese Mutterliebe wohl nicht allem Nachwuchs wirklich guttat. „Sie zog kleine Egoisten und Schmarotzer groß, ließ sich klaglos ausbeuten und war glücklich, wenn wir Kinder glücklich waren.“

Immerhin versorgten die Kinder sie bis ins zu ihrem Tod mit Wolle, erfanden, als die Hampelpuppen in den Waisenhäusern nicht mehr gefragt waren, fiktive Abnehmer und legten ihr viele Puppen mit auf den Sarg. Wie auch immer jemand ein erfülltes Leben definiert, Maria Heinrich schien es für sich gefunden zu haben.

KS