Eine Tasche für Alwine Kraus + Maria Weihönig
gepackt von Sabine Lorenz
Die Geschichte ging um die Welt: Eine Frau schlägt mit ihrer Handtasche auf einen Neonazi ein. Das war am 13. April 1985 in Växjö und die Dame hieß Danuta Danielsson. Die Szene hielt ein Bildjournalist fest. Das Foto wurde damals zum Foto des Jahres erklärt.
Doch diese Handtaschen-Geschichte will Sabine Lorenz nicht erzählen – oder eher: nicht allein. Denn am Ende ihres Textes reißt sie das Ereignis kurz an. Der Bogen beginnt in den Archives de la Vie Privée. Dort stößt die Packerin auf das Foto einer Frau mit Nähmaschine. Dieses Bild erinnert sie an ihre Mutter, die gelernte Schneiderin war. Die Assoziationskette geht weiter zu einem Handtaschenbild in Sabine Lorenz‘ Kindheit mit Schwester Monika und landet schließlich bei den beiden Urgroßmüttern Alwine und Maria.
Maria war eine Großmutter des Vaters. Sie kam aus dem Sudetenland nach dem 2. Weltkrieg nach Hessen, wo sie als Magd auf einem Bauernhof ihren Lebensunterhalt verdiente. Sie war sehr gläubig und der Nebel dort machte ihr zu schaffen. Und sie ist die einzige, die ahnte, dass der Sohn von ihrer Pflegetochter Paula und Sabines Vater – wie Sabine Lorenz ganz nebenbei, fast nonchalant, schreibt – gewalttätig war.
Urgroßmutter Alwine lebte in Schöningen am Elm. Sie wusch ihre Haare und Wäsche ausschließlich mit weichem Regenwasser. Die restlichen Überlieferungen sind eher kulinarischer Natur und drehen sich um Kartoffelsorten und Kaninchen, Margarinebrot und Brausewasser.
Die schwarze Handtasche hat Sabine Lorenz mit Details bestückt, die sie Alwine zuschreibt: Kamm, Spiegel, Portemonnaie mit Glückspfennig. Dazu ein Minifläschchen Acqua Colonia mit Lemon & Ginger. Die Tasche stammt übrigens aus den Archives de la Vie Privée, nur dass dort keine Objekte aufbewahrt werden.
Dafür gibt es nun die femwerkstatt.
KS