• Feministische Geschichtswerkstatt Freiburg e.V.

Wahlheimaten AZ-Nr. 20522

Heb-Amme und Care-Arbeiterin

Eine Tasche für Heiderose

gepackt von Heiderose

20522 Heiderose Tasche

In dieser autobiografischen Tasche steckt viel Wut – viel verständliche Wut. Wut auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, in der die Packerin sozialisiert wurde und in der studierende Frauen noch wenig Unterstützung ihrer Familien erhielten. Wut auf die Politik, die Schikanen in ihre Ausbildung einbaute (die später unter anderer Regierung wieder zurückgenommen wurden). Wut auf die Klinikgynäkologen dieser Zeit, die Patientinnen mies behandelten.

Während des Medizinstudiums hat Heiderose ihre Wut in politisches Engagement gesteckt. Sie kämpft für mehr BAFÖG, setzt für mehr Mitbestimmung ein, arbeitet in der Fachschaft mit, berät Studienanfänger*innen. Ihr Spezialgebiet wird die Gynäkologie. Dort enttarnt sie einen alteingesessen Frauenarzt als Euthanasiespezialisten der NS-Zeit – und das während eines Festakts zu dessen 100jährigem Geburtstagsjubiläum.

Sie hat sich ihre graue Ledertasche mit allerlei gynäkologischem Material bestückt: Spekulum, Leuchtstift, sterile Nadeln und der Beipackzettel zum Medikament Gynodian Depot, ein Estrogen-Androgen-Kombinationspräparat zur Hormonersatztherapie. Dass sie in den ersten Studiensemestern gleich Mutter wird, dafür stehen wohl die Kindersocke und Postkartenmotive. Nach dem Studium, das sie trotz aller widrigen Umstände abschließt, heiratet sie und bekommt ein zweites Kind: das Ende ihrer Karriere als Medizinerin. Später arbeitet sie – so erzählt sie in der handgeschriebenen Autobiografie – in einem familienkompatibleren Beruf.

Welchen verrät sie in ihrer Vita nicht, aber dass es sich dabei um den Beruf der Hebamme gehandelt haben könnte, diese Vermutung lässt der lange Artikel zu Heb-Ammen zu, der ebenfalls in der grauen Ledertasche liegt. Heute ist sie Rentnerin und rechnet damit ab, dass es für Studium und Care-Arbeit keine Rentenpunkte gibt.

Nach wie vor viel verständliche Wut.

KS