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Tag 14: Henriette Arendt

Ein Mittel gegen Polizeigewalt gegen Frauen? – Der Einsatz der ersten Frau im deutschen Polizeidienst

1903 trat die Krankenschwester Henriette Arendt in Stuttgart als erste Frau in den Polizeidienst ein. Damit wurde eine Forderung der Frauenbewegung endlich erfüllt: Frauen im Polizeidienst, um weibliche Festgenommene vor Übergriffen der Polizeibeamten zu schützen.

Henriette Arendts Arbeitsbereich war klar abgegrenzt. Als Polizeiassistentin hatte sie bei Zwangsuntersuchungen polizeilich aufgegriffener Frauen zu assistieren, die der Prostitution bzw. der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten bezichtigt wurden. Die Betreuung der Frauen, die durch die Sittenpolizei aufgegriffen wurden, lag ebenfalls in ihrem Zuständigkeitsbereich. Mehr als einmal nahm sie entlassene Gefängnisinsassinnen bei sich zu Hause auf, die nicht wussten, wohin sie hätten gehen können.

Zunehmend engagierte sich Henriette Arendt in der Kinderfürsorge. Eine Tätigkeit, die laut Dienstvertrag nicht zu ihren Aufgaben zählte. Immer wieder geriet sie deshalb in Schwierigkeiten – sei es durch Konflikte mit Eltern oder mit zuständigen Behörden. Öffentlich prangerte sie Missstände an, hielt Vorträge und übte Kritik am Umgang der städtischen Behörden mit verwahrlosten Kindern und hilfsbedürftigen Frauen. Schließlich eskalierte der Konflikt, 1908 wurde ihr die Kündigung nahegelegt, die sie noch im selben Jahr einreichte. Bis zu ihrem frühen Tod 1922 engagierte sich Henriette Arendt für hilfsbedürftige Kinder und setzte sich gegen Kinderhandel in Europa ein. 

Neben Henriette Arendt gab es weitere Frauen, die in verschiedenen Städten im Polizeidienst eingesetzt wurden. Die erste weibliche Polizei, die sog. „Frauenwohlfahrtspolizei“, wurde in den 1920er Jahren im britisch besetzten Köln eingeführt, es folgten weitere Formen in Baden und Sachsen. Doch sie blieben Sondereinheiten. 

Erst in den 1970er Jahren wird die weibliche Kriminalpolizei aufgelöst und die Beamtinnen auf allgemeine Kommissariate verteilt. Erst seit dann werden Frauen zur Schutzpolizei zugelassen. Heute liegt der Frauenanteil in Bund und Ländern laut Statistischem Bundesamt bei 29,3%.

Zum Reinhören

Hier könnt ihr euch einen Ausschnitt aus Arendts Schrift „Erlebnisse einer Polizeiassistentin“ anhören. 

Und wer ein kleines bisschen Zeit hat, kann sich hier in der WDR-Mediathek eine Folge „Zeitzeichen“ zu Henriette Arendt und ihrer Arbeit anhören.

 

Zum Weiterlesen

Arendt, Henriette: Erlebnisse einer Polizeiassistentin, München 1910.

Blum, Bettina: „Frauenwohlfahrtspolizei“ – „Emma Peels“ – „Winkermiezen“. Frauen in der deutschen Polizei 1903-1970, in: SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (2/2012), S. 74-87.

Wolff, Kerstin: „Es gibt nur eine Moral!“ – Die bürgerliche Frauenbewegung und ihre Debatten um Prostitution (1880 bis 1933), in: Digitales Deutsches Frauenarchiv, 2018.