Tag 2: „Entweder du wurdest verrückt, du hast dich organisiert, oder du nahmst den Strick“ – Lesbisches Leben in der DDR
Zwar war in der DDR Homosexualität zwischen Menschen über 18 Jahren ab 1968 nicht mehr strafbar, das änderte allerdings kaum etwas am öffentlichen Klima. Homosexualität wurde auch in der DDR medial verunglimpft und staatlich überwacht. Aufgrund der restriktiven Politik gab es kaum offizielle Treffpunkte für homosexuelle Menschen, inoffizielle Treffpunkte an öffentlichen Orten wie Parks oder Toiletten wurden durch die Volkspolizei als „Kriminalitätsschwerpunkte“ überwacht.
Ab den 1970er Jahren wurden Schwule und Lesben zunehmend durch die Staatssicherheit beobachtet. Auf homosexuelle Gruppen und viele Aktivist_innen wurden Spitzel angesetzt, die sich zum Teil verdeckt in der Szene bewegten und versuchten, die Gruppen zu „zersetzen“. So galt beispielsweiße die lesbische Aktivistin Dr. Ursula Sillge, eine Initiatorin des homosexuellen Treffpunkts Sonntags-Club, als „innerer Feind“ der DDR. Auf sie waren mehr als zehn Spitzel angesetzt, ihre Kontakte und Telefongespräche wurden überwacht. Innerhalb der Szene streuten die verdeckten Spitzel das Gerücht, Ursula Sillge wäre Mitglied der Partei SED und für die Staatssicherheit tätig.
Im Podcast gemeinsam unerträglich erzählen homosexuelle Frauen von ihrem Leben in der DDR. Eine Podcastproduzentin resümiert: „Viele der Frauen, mit denen wir sprachen, sagen – off the record – du hattest drei Optionen. Entweder du wurdest verrückt, du hast dich organisiert, oder du nahmst den Strick.“
„Viele der Frauen, mit denen wir sprachen, sagen – off the record – du hattest drei Optionen. Entweder du wurdest verrückt, du hast dich organisiert, oder du nahmst den Strick.“
Neben Isolation, Diskriminierung und Unsichtbarkeit behalten die Lesben auch die Überwachung und Kriminalisierung durch die Staatssicherheit in bitterer Erinnerung.
1985 wurden elf Aktivistinnen der Gruppe Lesben in der Kirche bei dem Versuch, zur Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Ravensbrück zu fahren, verhaftet, verhört, bedroht und beleidigt. Durch die Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 40. Jahrestages der Befreiung wollten die Aktivistinnen den Opfern des Faschismus und speziell den Lesben unter den Verfolgten gedenken. Die Frauen wurden abtransportiert und erst weit nach Ende der Gedenkfeier zurück zum Bahnhof gebracht.
„Wenn ich höre, die oder der hat sich geoutet, dann tanze ich und freue mich und stell’ eine Kerze auf den Balkon.“
„Wenn ich höre, die oder der hat sich geoutet, dann tanze ich und freue mich und stell’ eine Kerze auf den Balkon.“ – So erinnert sich die Zeitzeugin Bianka H. in einem Interview für die Ausstellung WIR* HIER! zu Lesben, Schwulen und Trans* in Mecklenburg-Vorpommern in Geschichte und Gegenwart an ihr Leben als Lesbe in der DDR.